Aktuelles & Rechtstipps

Bewertungen im Internet: Die neue Sterne-Kultur

Kanzlei Blog • 13. März 2019

Dass Sterne als Qualitätsmerkmal der Hotelbranche vorbehalten waren, ist schon lange passé. Im Zeitalter des Internets kommt kaum jemand an ihnen vorbei. Mal mehr und mal weniger strahlend sind die Bewertungssymbole allgegenwärtig. Doch was ist erlaubt und inwiefern muss ich mich als Unternehmer dieser Sterne-Kultur unterwerfen? Rechtsanwalt Martin J. Warm erklärt, welche Tücken hinter dem Geschäft mit den Sternen lauern.

Bewertungen im Internet sind für den Kunden eine Orientierungshilfe. Rechtsanwalt Martin J. Warm gibt Unternehmern Tipps für den Umgang mit der neuen Sternekultur. Mitgeteilt von Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht / Fachanwalt für Arbeitsrecht Martin J. Warm, Paderborn (www.warm-rechtsanwaelte.de)

Sie sind allgegenwärtig: Die Sterne, die durch einfaches Klicken zum virtuellen Strahlen gebracht werden. Verbraucher werden mehr und mehr aufgerufen, ihre Transaktionen und Käufe zu bewerten. Dabei geht es mittlerweile längst nicht mehr nur um Online-Tätigkeiten, sondern um ganz alltägliche Offline-Aktivitäten: Jeder Restaurantbesuch wird kommentiert und diskutiert; im Urlaub wird das Hotel kritisch beäugt, um nach der Heimkehr die richtige Zahl Sterne anklicken zu können. Wer kein positives Feedback in Form von Sternen vergibt, macht seinem Unmut in Form eines Kommentars Luft. Selbst Arbeitnehmer werden ermuntert, ihre Meinung zum Arbeitgeber zu äußern. Bewertungs-Portale erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und werden vom Verbraucher vermehrt zur Entscheidungsfindung zu Rate gezogen. Solange alles gut ist und die Bewertungen positiv ausfallen, wird dies gern gesehen. Schwierig aber wird es, wenn die Verbrauchermeinung allzu kritisch ausfällt oder die Online-Plattform für Schimpf- und Hetzkampagnen genutzt wird. Was für Verbraucher untereinander ein Meinungsaustausch scheint, kann für Unternehmer unangenehme Folgen haben. Kunden bleiben weg oder sind negativ voreingenommen.

Aus juristischer Sicht ist die Bewertung von Bewertungen eine schwierige Angelegenheit. Die Äußerung einer Meinung ist schließlich keine Straftat. Doch im Zeitalter des Internets ist die Reichweite einer geäußerten Meinung scheinbar unendlich, mit möglicherweise entsprechend großen Folgen. So sind zum Beispiel Ärzte auf der Bewertungsplattform Jameda der freien Meinungsäußerung ihrer Patienten ausgesetzt. Plattformen wie Yelp und Golocal bieten eine Suchmöglichkeit nach Branche und Postleitzahl an – jeder kann hier zu allen besuchten Orten „seinen Senf dazugeben“, um dem Nächsten die Entscheidung zu erleichtern. Auch Tankstellen werden in vielerlei Hinsicht von ihren Kunden bewertet. Preisgestaltung und die Ausstattung des Shops werden kommentiert, die Freundlichkeit des Personals oder die Öffnungszeiten werden gelobt oder bemängelt. Doch wie gehe ich als Unternehmer mit der öffentlichen Kundenmeinung um? Besonders negative Bewertungen führen zu emotionalen Reaktionen und verleiten dazu, schnell mal eine gesalzene Antwort abzugeben. Doch solch unüberlegte Schnellschüsse sollten unbedingt vermieden werden. Ehe der Angegriffene zum Rachefeldzug antritt, sollte er sich folgende Punkte durch den Kopf gehen lassen.


  • Jede Bewertung ist subjektiv und durch äußere Umstände im Umfeld des Verfassers beeinflusst. Vielleicht hat der Kunde, der die unfreundliche Kassiererin kritisiert, kurz zuvor Ärger mit seinem Chef gehabt?
  • Bewertungen sind eindimensional. Der Kunde wird in seiner Beurteilung kaum eigene Fehler einräumen. Das Auto, das zerkratzt aus der Waschstraße kommt, hat aus Sicht des Kunden ausschließlich die Waschanlage zu verschulden. Dass das Fahrzeug möglicherweise nicht für die Nutzung geeignet war, wird in der Bewertung nicht auftauchen.
  • Lesen Sie die kritische Bewertung aufmerksam: Wie ist die Wortwahl? Sind Rechtschreib- und Grammatikfehler enthalten? In einem solchen Fall können Sie davon ausgehen, dass auch andere Leser entsprechende Rückschlüsse auf die Wertigkeit dieses Kommentars ziehen.
  • Bewertungen sind selten fachlich qualifiziert – schließlich werden sie ja auch von Laien abgegeben, so dass der Bewertende die Leistung häufig gar nicht richtig beurteilen kann. Dies ist besonders bei Bewertungen von Ärzten und Anwälten ein Aspekt, der Berücksichtigung finden sollte.
  • Eine online geäußerte Meinung kann sehr kurzweilig sein und schon nach wenigen Tagen an Bedeutung verlieren – schlicht und einfach, weil sie nach unten rutscht.
  • Eine negative Bewertung könnte trotzdem einen Nutzen für den Unternehmer haben. Beschwert sich zum Beispiel ein Kunde, dass die frischen Brötchen im Tankstellenshop schon um 10 Uhr ausverkauft waren, so ist dies für einen anderen vielleicht der wertvolle Hinweis, dass überhaupt Brötchen im Verkauf sind?

Kein unüberlegter Rachefeldzug

Sie können auf Bewertungen reagieren oder sie ignorieren, sich rechtfertigen oder eine Löschung erwirken. Ihre Reaktion, egal welcher Art, sollte wohlüberlegt sein und mit einem klaren Kopf erfolgen. Fest steht: gegen eine persönliche Meinungsäußerung oder eine sachliche und begründete Kritik ist nichts einzuwenden. Nach der Meinungsfreiheit, die im Grundgesetz geregelt ist, hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Bild und Schrift frei zu äußern und zu verbreiten.

Um aus juristischer Sicht sinnvoll gegen eine Bewertung vorgehen zu können, muss also die Grenze zur freien Meinungsäußerung überschritten sein. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um unwahre Behauptungen oder sogenannte Schmähkritik handelt. Eine negative Beurteilung kann als unzulässig erklärt werden, wenn sie eine pauschale Herabwürdigung der Produkte oder Dienstleistungen ohne jeglichen sachlichen Anknüpfungspunkt darstellt. Schreibt jemand ganz allgemein „Der Laden ist absolut mies, das ganze Personal ist total unfähig“, ist dies eine pauschale Beurteilung, die in dieser Form nicht bewiesen werden kann. Die Löschung eines solchen Kommentars ist ggf. möglich. Für Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdungen gilt Ähnliches, da diese Form der Kritik einen "Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" (§ 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 BGB) darstellen kann. In einem solchen Falle steht das Schutzinteresse des Beurteilten im Vordergrund, ebenso bei sogenannter Schmähkritik. Diese definiert sich als Kritik, die lediglich mit dem Ziel der Diffamierung und Herabsetzung geäußert wird und jeglicher sachlichen Grundlage entbehrt. In einem solchen Falle kann es zur Wahrung des guten Rufes notwendig sein, rechtliche Schritte einzuleiten. Werden hingegen konkrete Punkte aus offensichtlich subjektiver Sicht beschrieben, etwa „Ich hatte den Eindruck, die Verkäuferin war nicht gut eingearbeitet“, so ist dies durchaus erlaubt – kein Grund zur Beanstandung!

Aktuelle Gerichtsurteile

Das Bewertungsportal Yelp wurde wegen schlechter Bewertungen zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Die Betreiberin eines Fitness-Studios hatte geklagt, weil in die Bewertungen von Yelp nur bestimmte Studios einflossen. Diese wurden von einer Empfehlungssoftware nach verschiedenen Kriterien ausgewählt und mit dem Prädikat „empfohlen“ ausgezeichnet. Da nur diese in die Bewertung bei Yelp einflossen, war das Ergebnis verfälscht. (OLG München, Endurteil vom 13.11.2018, Az. 18 U 1280/16).

Google musste eine Ein-Sterne-Bewertung eines Kieferorthopäden löschen. „Selbst wenn die Bewertung mit einem Stern keinen Text enthalte, falle sie nicht automatisch unter den Schutz der freien Meinungsäußerung“, urteilten die Richter des Landgerichts Lübeck mit Urteil vom 13.06.2018 (Az I O 59/17). Die Bewertung könne nach Meinung der Richter das Ansehen des Arztes negativ beeinflussen. Das Schutzinteresse des Betroffenen überwiege, Google musste die Bewertung löschen.

In einem ähnlichen Fall vor dem Landgericht Augsburg ging der Fall ganz anders aus. Hier sahen die Richter das Recht auf freie Meinungsäußerung als wichtiger an, die negative Bewertung blieb stehen – und das, obwohl sie von einem Nutzer, nicht von einem Patienten, abgegeben wurde. „Entscheidend ist allein, dass der Nutzer in irgendeiner Art und Weise mit der Klinik in Berührung kam und sich über diesen Kontakt eine Meinung über die Klinik gebildet hat, die ihn veranlasst hat eine Ein-Sternchen-Bewertung abzugeben“, heißt es im Leitsatz der Entscheidung (Landgericht Augsburg, Endurteil vom 17.08.2017, 022 O 560/17).

Ob es bei den jeweiligen Entscheidungen bleibt, ist derzeit noch nicht abzusehen.


Mitgeteilt von Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht / Fachanwalt für Arbeitsrecht Martin J. Warm , Paderborn ( www.warm-rechtsanwaelte.de )



von Kanzlei Blog 29. Januar 2025
Auch wenn ein Flug nach vorheriger Annullierung mit einem Gutschein gebucht wurde, sind Passagiere nicht verpflichtet, bei einer erneuten Annullierung erneut einen Gutschein zu akzeptieren. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte dies in einer aktuellen Entscheidung und sah in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Fluggesellschaft einen Verstoß gegen die Fluggastrechteverordnung.
von Kanzlei Blog 22. Januar 2025
Die Haftung für Schäden durch einen sich entzündenden E-Bike-Akku hängt von der rechtlichen Einordnung des E-Bikes ab. Entscheidend ist, ob das E-Bike als Kraftfahrzeug im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) gilt oder nicht. Diese Abgrenzung richtet sich vor allem nach der Leistungsstärke des Fahrzeugs. 
von Martin Warm 2. Januar 2025
Die Versetzung von Arbeitnehmern ins Ausland ist ein Thema, das durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 30.11.2022 (Az. 5 AZR 336/21) an Bedeutung gewonnen hat. In diesem Urteil wurde klargestellt, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) grundsätzlich auch die Möglichkeit umfasst, Arbeitnehmer an ausländische Arbeitsorte zu versetzen – sofern der Arbeitsvertrag keine anderslautende Regelung enthält.  Im konkreten Fall durfte die Fluggesellschaft Ryanair einen Piloten vom Standort Nürnberg nach Bologna, Italien, versetzen.
von Kanzlei Blog 4. Dezember 2024
Wenn ein Flug aufgrund von organisatorischen Problemen der Airline nicht angetreten werden kann, haben Passagiere unter Umständen Anspruch auf eine Entschädigung. Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass ein Fluggast, der trotz rechtzeitigem Erscheinen am Check-in-Schalter Anspruch auf eine Ausgleichszahlung sowie die Erstattung des Ticketpreises hat, wenn er unverschuldet danach den Flug verpasst (AG Frankfurt a.M., Urteil vom 25.10.2024 - 29 C 4052/22).
von Kanzlei Blog 31. Oktober 2024
Am Ende dieses Monats verabschieden wir uns von unserer geschätzten Mitarbeiterin Kirsten Gäbler, die in ihrer Zeit bei uns eine wichtige Rolle gespielt hat. Sie begann ihre Tätigkeit in unserer Kanzlei zunächst im Bereich Empfang und Teamassistenz. In ihrer Funktion als Verbindung zwischen Sekretariat und Fachbereich sorgte Frau Gäbler im weiteren Verlauf ihrer Tätigkeit in unserer Kanzlei als juristische Assistenz für die Kommunikation und effizienten Bearbeitung unserer Mandate.
von Kanzlei Blog 27. Oktober 2024
Die Entscheidung, ein Erbe auszuschlagen, sollte wohlüberlegt sein. Ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Beschluss vom 24.07.2024 - 21 W 146/23, unanfechtbar) zeigt, dass die Anfechtung einer Ausschlagungserklärung zwar möglich ist, aber nur unter strengen Bedingungen. Eine Frau schlug nach dem Tod ihrer Mutter zunächst das Erbe aus. Hintergrund waren die schwierigen Lebensverhältnisse der Mutter, mit der sie seit ihrem elften Lebensjahr keinen Kontakt mehr hatte. Aufgrund der Alkoholkrankheit der Mutter und der Berichte einer Kriminalbeamtin über den chaotischen Zustand der Wohnung im Bahnhofsviertel, nahm die Tochter an, dass der Nachlass überschuldet sei. Erst viele Monate später erfuhr sie durch den Nachlasspfleger, dass ihre Mutter über ein erhebliches Kontoguthaben im oberen fünfstelligen Bereich verfügte. Daraufhin hat die Tochter die Ausschlagung angefochten und beantragte einen Erbschein als Alleinerbin. Das Nachlassgericht wies den Antrag jedoch ab. Die Anfechtung sei unwirksam, da die Tochter sich nicht ausreichend über den Nachlass informiert habe. Anders entschied das OLG Frankfurt am Main. Es bejahte die Anfechtung der Erbausschlagung (Beschluss vom 24.07.2024 - 21 W 146/23). Die Tochter konnte das Erbe somit annehmen.
von Kanzlei Blog 7. Oktober 2024
Die Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten ist ein häufiger Streitpunkt im Arbeitsrecht. Mit seinem Urteil vom 25.04.2023 (Az. 9 AZR 187/22) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass diese Klauseln einer AGB-Kontrolle unterliegen. Dabei sind präzise Formulierungen und eine faire Abwägung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen unerlässlich. In diesem Blogbeitrag erfahren Sie, welche Anforderungen das BAG an Rückzahlungsklauseln stellt und wie Sie rechtssichere Regelungen gestalten können.
von Kanzlei Blog 27. September 2024
Die Errichtung eines Testaments ist ein bedeutender Schritt, der gut durchdacht sein sollte. Doch was passiert, wenn ein Testament unter außergewöhnlichen Umständen, etwa auf der Intensivstation, verfasst wird und sich im Anschluss die potentiellen Erben streiten? Ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 13.06.2024 (Az.: 10 W 3/23) beleuchtet die rechtlichen Herausforderungen in solchen Situationen.
von Kanzlei Blog 9. August 2024
In einem aktuellen Urteil hat das Oberlandesgericht Brandenburg (Urteil vom 16.07.2024 - 7 U 133/23) klargestellt, dass einem Verbraucher auch dann ein Widerrufsrecht zusteht, wenn er ein Notebook mit einer individuellen Konfiguration aus vorgegebenen Standardoptionen bestellt. Dieses Urteil ist von Bedeutung für alle, die elektronische Geräte online erwerben und diese an ihre Bedürfnisse anpassen möchten.
von Kanzlei Blog 29. Juli 2024
Wenn Sie eine Pauschalreise buchen und dabei von Flugverspätungen oder -ausfällen betroffen sind, stehen Ihnen möglicherweise Ansprüche auf Ausgleichszahlungen zu. Eine wichtige Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) stellt hierzu klar, dass für diese Ansprüche die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gilt, und nicht die kürzere zweijährige Frist, die oft bei Pauschalreisen Anwendung findet (Urteil vom 04.06.2024 - X ZR 62/23). 
Weitere Beiträge
Share by: