






Wie lange Arbeitnehmer täglich arbeiten dürfen und wann Ruhepausen gemacht werden müssen, regelt das deutsche Arbeitszeitgesetz. Auch das Unionsrecht, insbesondere die EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG), macht Vorgaben zu Arbeitszeit, Ruhezeit oder der Leistung von Überstunden. Ziel ist der Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer. In einem Fall, den der nationale spanische Gerichtshof dem EuGH vorgelegt hat, fordert EU-Generalanwalt Pitruzzella, dass Unternehmen zur vollen Wirksamkeit des Unionsrechts verpflichtet sind, anhand von Arbeitszeiterfassungsystemen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu protokollieren. Das deutsche Arbeitszeitgesetz gibt Arbeitgebern nicht vor, die Arbeitszeit umfassend zu erfassen.
Der Fall: Generelle Verpflichtung für Arbeitgeber die Arbeitszeit aufzuzeichnen?
Im vorliegenden Fall klagten mehrere spanische Gewerkschaften vor dem nationalen Gerichtshof (Audiencia Nacional) gegen die Deutsche Bank SAE. Diese sei als Arbeitgeber nicht nur aufgrund nationaler Rechtsvorschriften, sondern auch aufgrund der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und aus der EU-Richtlinie 2003/881 dazu verpflichtet, ein System im Unternehmen einzuführen, um die effektiv geleistete Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen. Das sei nötig, um die Einhaltung der vereinbarten Arbeitszeit sowie monatlich geleistete Überstunden feststellen zu können. Der Arbeitgeber sah dafür keine Verpflichtung. Das spanische Recht sehe keine Pflicht des Arbeitgebers vor, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu erfassen.
Spanisches Gericht befragt EuGH zur Arbeitszeiterfassung
Der oberste Gerichtshof Spaniens (Tribunal Supremo) war zuvor der Auffassung des Arbeitgebers gefolgt. Er entschied, dass keine generelle Verpflichtung für Arbeitgeber existiere, die ganze Arbeitszeit für „normale Arbeitnehmer“ zu erfassen. Dies habe der spanische Gesetzgeber gerade nur für Teilzeitbeschäftigte, mobile Arbeitnehmer, Arbeitnehmer in der Handelsmarine und Arbeitnehmer im Eisenbahnsektor vorgegeben. Das spanische Recht verpflichte den Arbeitgeber nur zur Führung einer Liste der geleisteten Überstunden und zur Mitteilung der Zahl der gegebenenfalls von den Arbeitnehmern geleisteten Stunden am Ende jedes Monats an ihre Gewerkschaftsvertreter. Die Audiencia Nacional äußerte Zweifel an der Vereinbarkeit der spanischen Rechtsvorschriften in der Auslegung durch das Tribunal Supremo mit dem Unionsrecht und legte den Fall dem EuGH vor.
Generalanwalt: Unternehmen brauchen Systeme zur Messung der effektiven Arbeitszeit
In dieser Sache hat der Generalanwalt nun seine Schlussanträge gehalten. Er stellte fest, dass aus seiner Sicht, Unternehmen verpflichtet sind, ein System zur Messung der Arbeitszeit zu führen. Im konkreten Fall für „Vollzeitarbeitnehmer, die sich nicht ausdrücklich individuell oder kollektiv zur Ableistung von Überstunden verpflichtet hätten und die keine mobilen Arbeitnehmer, Arbeitnehmer in der Handelsmarine oder Arbeitnehmer im Eisenbahnsektor seien“. Dies sei erforderlich, um überprüfen zu können, dass Arbeitnehmer ihre EU-verbrieften Rechte auf Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten auch tatsächlich wahrnehmen können.
Verstöße gegen die Arbeitszeitvorschriften: System zur Kontrolle nötig
Der Generalanwalt betonte, dass ohne ein solches System weder der Umfang der tatsächlich geleisteten Arbeit und die Lage der Arbeitszeiten objektiv und sicher festgestellt werden könne, noch zwischen Regelarbeitszeit und Überstunden unterschieden werden könne. Ohne ein System fehle es an Möglichkeiten für die für Sicherheit am Arbeitsplatz zuständige Behörde, Verstöße festzustellen. Auch erschwere es Arbeitnehmern den Nachweis eventueller Verstöße vor Gericht.
Mitgliedsstaaten müssen Arbeitszeitrichtlinie effektiv umsetzen
Der Generalanwalt Pitruzzella hat daher dem EuGH vorgeschlagen, festzustellen, dass Unternehmen verpflichtet sind, ein System zur Erfassung der täglichen effektiven Arbeitszeit einzuführen. Dies folge aus der Richtlinie 2003/88 und der EU-Grundrechtscharta. Den Mitgliedstaaten stehe es frei, die Formen und Wege der Umsetzung dieser Verpflichtung zu bestimmen. Nationale Rechtsvorschriften müssten jedenfalls durch das nationale Gericht unionskonform ausgelegt werden, andernfalls unangewendet bleiben. Das Gericht müsse sich dann vergewissern, dass die Verpflichtung des Unternehmens, sich mit einem zur Messung der effektiven Arbeitszeit geeigneten System auszustatten, eingehalten wurde.
Schlussanträge für EuGH nicht bindend
Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den EuGH nicht bindend. Oftmals folgt der Gerichtshof aber dem Entscheidungsvorschlag. Wie das spanische Arbeitsrecht gibt auch das deutsche Arbeitszeitgesetz dem Arbeitgeber generell nicht vor, die Arbeitszeit umfassend zu erfassen. Nur die Überschreitungen der üblichen Arbeitszeit müssen gemäß § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom Arbeitgeber dokumentiert werden.
Hinweis: Schlussanträge des Generalanwalts vom 31.1.2019 vor dem EuGH in der Rechtssache C-55/18 CCOO / Deutsche Bank SAE
Quelle: haufe.de
Den Originalbeitrag finden Sie hier
Mitgeteilt von Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht / Fachanwalt für Arbeitsrecht Martin J. Warm , Paderborn ( www.warm-rechtsanwaelte.de )
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